Mainz/Alzey

Gleich mehrere Großprojekte: Der Biotech-Standort Rheinland-Pfalz wächst

Von Christian Schultz
Biontech in Mainz
Seit dem wirtschaftlichen Erfolg von Biontech in der Corona-Pandemie entwickelt sich Rheinland-Pfalz Schritt für Schritt zu einem weltweit wichtigen Standort für Biotechnologie. Mit Eli Lilly lässt sich nun ein weiterer Pharmariese im Land nieder. Foto: Helmut Fricke/dpa

Spatenstich hier, Spatenstich dort: Der April 2024 ist so etwas wie der Monat der Biotechnologie in Rheinland-Pfalz. Gleich mehrere Großprojekte rücken dabei in den Fokus, weitere sagen sich an – zur Freude der Ampel-Landesregierung, die es zu einem ihrer zentralen Projekte gemacht hat, Rheinland-Pfalz im Windschatten des Erfolgs von Biontech zu einem wichtigen Standort für die Biotechnologie insgesamt zu machen.

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An diesem Montag ist der symbolische Spatenstich für die neue Produktionsstätte von Eli Lilly in Alzey. Der US-Pharmakonzern investiert dort bis 2027 rund 2,3 Milliarden Euro, bis zu 1000 Menschen sollen einmal in der Fertigungsstätte für injizierbare Medikamente arbeiten. Der Produktionschef von Eli Lilly, Edgardo Hernandez, sagte im November, ein Kriterium für die Ansiedlung in Rheinhessen sei die gute pharmazeutische Infrastruktur in der Region gewesen.

Eli Lilly will unter anderem vom boomenden Geschäft mit Abnehmspritzen profitieren, das in den USA einen regelrechten Hype erzeugt hat. Dieses Geschäft hat auch der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk mit seinem Abnehmmittel Wegovy im Blick. Das Unternehmen hat erst 2023 seine neue Deutschland-Zentrale in Mainz eröffnet.

Habeck: „Großes Ausrufezeichen“

Eli Lilly kommt ohne staatliche Investitionen nach Alzey, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im November erklärte. Er nannte die Investition „ein großes Ausrufezeichen“, es sei eine der größten einzelwirtschaftlichen Entscheidungen in Deutschland in diesem Bereich. Erwartet werden zu dem Spatenstich neben Ministerpräsidentin Malu Dreyer auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (alle SPD).

Am Dienstag ist dann der Spatenstich für ein neues Forschungs- und Verwaltungsgebäude des Forschungsinstituts Tron in unmittelbarer Nähe zur Mainzer Universitätsmedizin geplant. Tron steht für Transnationale Onkologie. Die gemeinnützige Gesellschaft entstand 2010, Gründer waren unter anderem die Biontech-Macher Ugur Sahin und seine Frau Özlem Türeci. Die Unimedizin, die Johannes Gutenberg-Universität (JGU) Mainz und das Land Rheinland-Pfalz sind Anteilseigner. Tron forscht an Wirkstoffen zur immuntherapeutischen Behandlung von Krebs und anderen Krankheiten.

Der sechsstöckige Tron-Neubau mit 10.800 Quadratmetern Fläche soll 2027 fertiggestellt sein und Labore und Büros beherbergen. Er entsteht wenige Hundert Meter von der Firmenzentrale des in der Corona-Pandemie weltberühmt gewordenen Impfstoffherstellers Biontech, der sich mittlerweile wieder verstärkt der Entwicklung von Krebstherapien zuwendet. Und einige Kilometer stadtauswärts, vor den Toren der Universität, wächst nach und nach ein Biotech-Campus, der auch gezielt Gründer aus der Branche anlocken will.

Hier hatte zuletzt der niederländische Wissenschaftspark- und Netzwerkbetreiber Kadans angekündigt, einen hohen zweistelligen Millionenbetrag in neue Labor- und Büroräume zu investieren. Kadans Science Partner entwickelt speziell angepasste Immobilien für Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus den Bereichen Life Science sowie Biotechnologie. Darüber hinaus engagiert sich unweit von Mainz Boehringer Ingelheim kräftig in der Biotechnologie, der dortigen Baustelle für ein neues Entwicklungszentrum für chemische Wirkstoffe stattete Kanzler Scholz im vergangenen Mai einen Besuch ab. Rheinaufwärts in Ludwigshafen, dem Stammsitz von BASF – ein weiterer Riese in der Biotechnologie –, wird zudem der US-Pharmakonzern Abbvie nach Angaben der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei Ende April den Startschuss für ein Projekt geben. Details hierzu sind noch nicht bekannt, die Staatskanzlei spricht von einer Investition in die Spitzenforschung.

Es tut sich also auf Unternehmensebene eine ganze Menge. Das Land Rheinland-Pfalz stellt bis 2026 bis zu 800 Millionen Euro für die Biotechnologie und die Lebenswissenschaften zur Verfügung. Der Landeskoordinator für Biotechnologie, Eckhard Thines, sieht großes Potenzial für den Standort Rheinland-Pfalz und sprach sich kürzlich dafür aus, noch offensiver dafür zu werben. „Wir müssen mehr klappern“, sagte er im Dezember. Dabei dürfte der Termin bei Eli Lilly in Alzey helfen, lenkt er doch die Blicke einer breiten Öffentlichkeit auf das Bundesland.

Standortfinder im Internet

„Unsere Wirtschafts- und Innovationspolitik in Rheinland-Pfalz trägt Früchte“, sagt Wissenschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP). Mit Eli Lilly komme nun ein weiterer „bedeutender Player“. Das Ministerium verweist unter anderem auf einen Standortfinder im Internet, mit dem Interessierte gezielt nach Arealen Ausschau halten können. Auch würden Kommunen bei der Erschließung oder Erweiterung von Gewerbegebieten finanziell gefördert, die Marke „Rheinland-Pfalz Gold“ werbe im In- und Ausland für den Standort.

Für Alzey bringe die Ansiedlung von Eli Lilly ganz neue Entwicklungsmöglichkeiten, sagt Bürgermeister Steffen Jung (SPD). Er spricht von einer „Leuchtturmansiedlung“. Die Stadt erhoffe sich dadurch auch mehr Kaufkraft und Impulse für die Innenstadt. Dass der Konzern sich trotz deutschlandweiter Suche für Alzey entschieden habe, habe auch an dem verfügbaren Gelände gelegen. Bereits vor zehn Jahren sei die Erweiterung des Industriegebiets Ost an der Autobahn 61 um 50 Hektar angedacht worden. Ursprünglich war geplant, ein „Filetgrundstück“ mit 12 bis 15 Hektar für eine besondere Ansiedlung zurückzuhalten, erzählt Jung.

Im Mai vergangenen Jahres sei dann der Kontakt zu Eli Lilly zustande gekommen. Dank einer Umplanung habe man letztlich auch die vom Unternehmen benötigten 30 Hektar zur Verfügung stellen können. Im November 2023 sei die geplante Ansiedlung dann verkündet worden, kaum fünf Monate später folge der symbolische Spatenstich. „Das ist schon beeindruckend schnell“, sagt Jung. Das gehe nur im Zusammenspiel mit allen Beteiligten.

Es gibt freilich auch in Alzey Kritiker der Erweiterung des Gewerbegebiets. Bürgermeister Jung sagt, auch wegen einer Bürgerinitiative habe es Änderungen im Bebauungsplan gegeben. Er sei dankbar für diese kritische Begleitung, die durchaus Verbesserungen gebracht habe.